Dezember17
Ich habe gerade noch ein wenig geforscht bezüglich den zwei Schöpfungsberichten. Ich habe hier ein Statement welches ich auf www.nikodemus.net gefunden habe.
Heute wird in der historisch-kritischen Theologie meistens von zwei völlig voneinander unabhängigen Erzählungen in 1.Mose 1 und 1.Mose 2 ausgegangen. Zudem sollen die Texte noch verhältnismäßig spät zustande gekommen sein; ab Kapitel 2,4b wird ein älterer Autor vor dem babylonischen Exil des Volkes Israel angenommen, während Kapitel 1 - 2,4a als jüngerer, nachexilischer Bericht angesehen wird. Diese späte Datierung kann aber absolut nicht durch historische Fakten belegt werden, sondern beruht auf subjektiven Beurteilungskriterien und unsicheren Hypothesen. Dazu werden noch verschiedene Quellen aufgrund der Verwendung unterschiedlicher Gottesnamen und aufgrund unterschiedlicher Schreibstile angenommen.
Das Problem bei dieser historisch-kritischen Vorgehensweise ist, dass man das Zustandekommen von Texten heiligen Schrift und deren Inhalt rational nachvollziehbar erklären möchte. Die Dimension gött
licher Inspiration der Autoren durch den heiligen Geist wird dazu so weit wie möglich außen vor gelassen. Was bleibt, sind lediglich Aufzeichnungen menschlicher Vorstellungskraft aus der Antike.
Diese Sichtweise wird den Texten der Bibel und ihrem Selbstverständnis auf keinen Fall gerecht. So schreibt z.B. Petrus:
Denn es ist noch nie eine Weissagung [der Schrift] aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem heiligen Geist haben Menschen im Namen Gottes geredet.
2.Petrus 1,21
Das gilt auch für die prophetische Rückschau auf den Schöpfungsakt. Wer die Bibel ernst nehmen möchte, muss also damit rechnen, dass sie die Mitteilung eines real existierenden Gottes an uns Menschen ist. Durch diese Schriften teilt Gott wahre Sachverhalte mit, weil er nicht lügt (4.Mose 23,19; Johannes 8,40; u.a.). Die ersten Kapitel der Bibel dürfen davon nicht ausgenommen werden. Weil sich Propheten, Jesus und die Apostel in ihren Reden und Schriften immer wieder auch auf Inhalte beider Schöpfungsberichte beziehen, ist klar, dass sich diese nicht grundsätzlich widersprechen können, sonst wären auch die Autoren des Neuen Testaments unglaubwürdig. Es also durchaus plausibel, erstens von einer ursprünglichen Verfassung der Texte durch Mose oder sogar noch älterer Zeugen auszugehen und zweitens anzunehmen, dass es sich um Texte handelt, die einander ergänzen.
1.Mose 1 und 2 sind deswegen unterschiedlich, weil sie die Schöpfungsereignisse aus zwei verschiedenen Perspektiven beschreiben: Der erste Bericht beschreibt die Schöpfung eher allgemein und chronologisch, während der zweite speziell die Erschaffung des Menschen im Fokus hat. Auch an anderen Stellen in der Bibel finden wir solche sich gegenseitig ergänzende Texte, z.B. in den Königs- und Chronikbüchern und den dazugehörigen Prophetenschriften oder auch in den Evangelien. Die Bezeichnung “Zweiter Schöpfungsbericht” ist so gesehen fragwürdig, denn es handelt sich eher um einen ergänzenden Bericht. So fehlt im zweiten Kapitel etwa die strenge Aufzählung des ersten Berichtes, weil es einen andern Schwerpunkt hat: Die Erschaffung des Menschen und die auf ihn bezogene restliche Schöpfung.
Das ist der Grund, weswegen hier eine andere Reihenfolge der Schöpfungswerke zu finden ist. Zuerst wird die Erschaffung des Menschen geschildert, und erst danach wird die Erschaffung von Pflanzen und Tieren erwähnt, nämlich dann, wenn ihre Bedeutung für den Menschen beschrieben wird. Es liegt eine Ordnung nach der Wichtigkeit des Inhalts vor, nicht streng nach der chronologischen Abfolge der Ereignisse. Dieser Stil ist in der hebräischen Literatur etwas Selbstverständliches. Ein Beispiel aus dem Text soll das verdeutlichen:
In Kapitel 1 werden die Tiere zuerst geschaffen, und danach am sechsten Tag der Mensch als Mann und Frau. Kapitel 2 beschreibt diese Vorgänge ebenfalls, allerdings mit dem Schwerpunkt auf dem sechsten Schöpfungstag und Gottes Gebot für den Menschen. Wenn es schließlich darum geht, welche Bedeutung die Tiere für den Menschen haben, wird in Vers 19 (quasi “nebenbei”) noch einmal deren Erschaffung erwähnt. Sie kann, chronologisch gesehen, durchaus schon vorher erfolgt sein! Da es im Hebräischen nur zwei Zeitformen gibt und sich die richtige Übersetzung vom Kontext her ableitet, besteht grammatisch gesehen sogar die Möglichkeit, Vers 19 im Deutschen mit dem Plusquamperfekt wiederzugeben:
Und Gott der Herr hatte aus Erde alle die Tiere auf dem Felde und alle die Vögel unter dem Himmel gemacht und brachte sie zu dem Menschen, dass er sähe, wie er sie nannte [...]
1.Mose 2,19
Die beiden “Versionen” des Schöpfungsberichts sind also auf jeden Fall sehr gut miteinander vereinbar, wenn man grundsätzlich einmal davon ausgeht, dass die Texte jeder für sich vertrauenswürdig sind. Gerade weil es Kapitel 1 und 2 des ersten Buches Mose gibt, spricht das in meinen Augen für die Zuverlässigkeit der biblischen Überlieferung: Wenn hier im Laufe der Geschichte im Sinne einer modernen, nach unserem Verständnis einheitlicheren Textgestaltung, manipuliert worden wäre, hätte man sicher nicht mehr diese beiden sich ergänzenden Sichtweisen eines Ereignisses, die gleichzeitig uralte Schreibkultur widerspiegeln.
